Manchmal wird ein Programmtitel zum Alltag. Als Matthias Reuter sein neues Kabarettprogramm „karrierefreies Wohnen“ nannte, ahnte er nicht, dass er das dann erstmal ein Jahr lang machen würde. Doch nicht nur für Inzidenzen gilt: wenn alles ständig eskaliert, ist es das Beste, man pausiert.
Wo Medien, Politik und Mitmenschen zunehmend hysterischer werden, setzt Reuter auf Ruhe. Und Humor. Aber für beides braucht man Zeit. Und so beantwortet er die uralte schwedische Möbelverkäuferfrage „Wohnst Du noch oder lebst Du schon?“ mit dem Satz „Ich wohne. Um noch was vom Leben mitzukriegen.“
Je nach Nachbarschaft ist das ja auch schon Event genug. Karrierefreies Wohnen ist der Versuch, im vierten Stock am Boden zu bleiben, während gleichzeitig vor der Tür der ganz normale Wahnsinn patrouilliert: Weltreisende Viren, wahlkämpfende Wichtigtuer, falsche Dachdecker und Polizisten, Plauderkassen im Supermarkt und Saugroboter mit Kosenamen.
Und ständig die bange Frage: Ist Kabarett überhaupt noch systemrelevant? Reuter ist da optimistisch, denn der Mann von der Reinigung hat ihn neulich gefragt, wann er endlich mal wieder aufritt und seine Hemden und den Anzug vorbeibringt. Immerhin!
Und so macht sich Matthias Reuter pflichtbewusst auf den Weg in die Kleinkunsttheater der Republik, um Klavier zu spielen, Geschichten zu lesen, Menschen zu unterhalten und seinen Anzug zu verschmutzen. Denn das geht wirklich nur auf der Bühne.
Matthias Reuter ist Autor und Musikkabarettist aus dem Ruhrgebiet. Er kann seit 2010 davon leben (sagt das Finanzamt). Bis 2070 muss er davon leben (sagt sein Rentenbescheid)
Für seine Auftritte hat Reuter einige Kabarettpreise bekommen, zuletzt den Dresdner Satirepreis 2019, aber auch den Jurypreis von „Tegtmeiers Erben“ im Jahr 2011. Die CDs zu seinen Programmen sind im Kölner WortArt-Verlag erschienen.
Das Kurzgeschichtenbuch „Rentnerfischen im Hallenbad“ erschien 2019 im Berliner Satyr-Verlag. Pressezitate: Am Klavier läuft Reuter zur Hochform auf. Romantisch, poppig, jazzig, rockig und fingerfertig bringt er den Steinway in Rage mit seinem NRW-Abi-Blues oder dem in Ruhrpott-Russisch gebellten Song, der ungeahnte Einblicke in eine Weltverschwörung russischer Hacker eröffnet, deren anonymes Haupt “die Doris” im Callcenter von O2 ist. (…)
Lieber Humor und eine große Klappe, als einen Kleinen Waffenschein. Ja, warum nicht? (Badische Zeitung, 30.01.2020, Dorothee Philipp) „Wer Roski mag, wird Reuter lieben.“ (Bonner Generalanzeiger, März 2016)